Sonntag früh, 10 Uhr, Lostorf, Schweiz. Wo andernorts die Kirchenglocken läuten, wird hier auf Schloss Wartenfels gelesen, diskutiert und zugehört.
Foto: Hans-Jürgen John
Der Autor von «Léon und Louise» (2011) ist groß und blond. Er spricht frei und mit Humor. Etliche der Besucher seiner Lesung heute mögen ihn bereits kennen. Er hat seinen Wohnsitz in der Region. Mitunter trifft man ihn im Restaurant «Flügelrad» in Olten an.
«Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer» – ungewöhnlich scheint auf den ersten Blick, dass Alex Capus aus seinem noch unveröffentlichten Buch liest. Es erscheint am 29. Juli 2013. Doch tatsächlich verrät er nicht zuviel. Die Spannung und Neugierde bleibt.
Nachdem «Léon und Louise» ein in bislang zwölf Sprachen übersetzter Erfolgsroman ist, steigt nun die Erwartungshaltung beim neuesten Buch entsprechend. Der Titel verspricht einiges. Vermag der Inhalt der Lust auf Spannung, Unterhaltung und Lesegenuss genügen? Geduld, Geduld es sind nur noch drei Wochen bis das Buch in die Läden kommt.
Etwa 90 Literaturbegeisterte folgen bei tadellosem Sommerwetter dem Ruf des Autors. Hoch über den oft kleinlichen Streitigkeiten unten im Land gelegen, bietet Schloss Wartenfels die richtige Atmosphäre für diese Lesung. Unter riesigen, weißen Sonnenschirmen lauschen die Besucher Capus, der die persönlichen Geschicke dreier historisch bekannter Menschen skizziert. Wie unser aller Leben läuft auch deren Geschick vor dem Hintergrund der großen Wegweiser der Geschichte des letzten Jahrhunderts ab – in deren Fall sind dies die beiden Weltkriege.
Alex Capus wählt für sein Buch drei Helden dieser Geschichte. Ihre individuellen Wege durchs Leben kreuzen sich – laut Capus – im November 1924 am Hauptbahnhof Zürich. Wobei nichts darauf hindeute, dass sie sich gegenseitig wahrnehmen.
Die drei Helden sind historisch belegt. Der Vergleich ihrer Lebensstationen bei Wikipedia – sofern dort ihre Biografie hinterlegt ist – zeigt wie Capus als studierter Historiker Lebensläufe von Menschen nacherzählt, deren Schicksal uns heute etwas mitzuteilen hat.
Felix Bloch erlebt während seiner Gymnasialzeit den 1. Weltkrieg – die erste automatisierte Massenvernichtung von Menschen. Er beschließt einen Beruf zu wählen, der dem Krieg damals in keinerlei Weise förderlich ist: Atomphysik.
Laura d’Oriano fehlt – als Tochter einer Musikerfamilie – das Talent zur Sängerin und sie wird wegen ihrer Mehrsprachigkeit zur Spionin der Alliierten in Italien.
Emile Gilliéron glänzt mit Begabung als Maler und Zeichner. Er hat nicht vor, einen Beruf daraus zu machen. Bis er in Paris einem deutschen Milliardär über den Weg läuft: Heinrich Schliemann. Als Tandem reisen sie durch Griechenland, graben Troja aus und Gilliéron hält alles zeichnerisch fest.
Alex Capus ist ein Mensch mit Ecken und Kanten und solche raren Charaktere sind mir sympathisch. Man weiss immer woran man bei diesem geradelinigen Menschenschlag ist. Seine Kolumne in «Die Nordwestschweiz» über «Sprechende Abfalleimer» in Olten hat für Aufregung gesorgt. Die Helden seines neuen Romans sind keine Menschen auf Kuschelkurs und Jasager, sondern interessant und unlinienförmig. Capus bleibt sich als Autor im Roman wie im richtigen Leben treu.
Der Vergleich mit Günter Grass, Literaturnobelpreisträger (1999) und als Wahlkampfunterstützer politisch aktives SPD-Mitglied seit 1982 in Deutschland liegt nahe. Auch Capus ist politisch aktiv – er war Präsident der Sozialdemokratischen Partei Oltens (2009 – 2012). Gleichwohl ist Capus nicht mit der Weltkriegsvergangenheit eines Günter Grass belastet und sieht einer außergewöhnlichen Karriere entgegen.
Autoren gibt es viele. Menschen, die neben dem Traum – und Brotberuf für ihre Meinung zugunsten ihrer Mitmenschen einstehen wenige.
© 2013 Hans-Jürgen John
Hans ist Hans John (@rafaelofirst) auf Twitter und Hans.John.16 auf Facebook. Hans bloggt auf www.johntext.de und www.tage-bau.de .