Ein Gutes Neues Jahr

Photo (Pexels) by Quintin Gellar – High Angle View of Cityscape Against Cloudy Sky


Ein Neues Jahr ist kein Bruch – es ist die Fortsetzung Ihrer persönlichen Geschichte im Kreislauf der Jahreszeiten.

Ein Gutes Neues Jahr! – Allen Lesenden bei Johntext.

Wieder ist ein Jahr vorbei. Wie kann es sein, dass 365 Tage in einen Satz passen? Ein schönes Neues Jahr! Wir packen die Zukunft in den nächsten Satz und gleich die besten Wünsche dazu. Sprache ist ein biegsames Medium – wie Weizen auf dem Feld und ebenso nahrhaft. Wir formulieren Sätze und geniessen Worte und bündeln Wünsche – als Sender und Empfänger.

Wir hören Ein Gutes Neues Jahr und für jeden bedeutet es etwas anderes. Für die einen ist es eine Floskel – so wie man sich entschuldigt oder bedankt oder eine Flagge hisst und unter einem guten Stern segelt. Für die anderen ist es ein Gefäss mit dem Inhalt aller Geschehnisse eines Jahres. Für Kranke bedeutet ein Gutes Neues Jahr Besserung und gesund werden. Für Einsame neue Freundschaft oder belebte Liebe. Für Zufriedene Kontinuität. Ein Gutes Neues Jahr auch für unsere Ziele und Vorsätze. Was ist für Sie ein Gutes Neues Jahr?

Ein Gutes Neues Jahr – Platzhalter für individuelle Wünsche

Geld

Ein Element des alten und des neuen Jahres ist Geld. Geld regiert die Welt – sagt man. Wir lieben es – diesen Schlüssel zu allem, was sich kaufen lässt.

Und doch – es gibt ein sehr viel wertvolleres Gut das weit über Geld und dessen Möglichkeiten steht – der Schlüssel zu allem, der Generalschlüssel gewissermassen.

Schauen Sie sich um. Wenn Sie möchten. Sehen Sie, was diese Welt ausmacht? Geld hat sie nicht erschaffen. Geld ist ein Teil von ihr. Ein künstliches Zahlenkonstrukt – ausgedacht, um uns das Leben zu erleichtern. Und oft der Zaun, der uns unsere Grenzen aufzeigt und Menschen definiert:

– Wieviel ist meine Arbeit wert?
– Was kann ich mir leisten?
– Bin ich – tatsächlich oder gefühlt – erfolgreich?

Geld hat eine Nebenwirkung – eingeführt, um den Wert von Waren zu bestimmen und Handel zu erleichtern – führt es auch dazu, dass Menschen daran gemessen werden wieviel sie davon haben. Das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz offenbart uns in der Dezember Ausgabe die 300 Reichsten der Schweiz. Demnach besitzen diese zusammen 702 Milliarden Franken.

Menschen, die sich darauf programmiert haben aus Mehr noch Mehr zu machen. Aus Prinzip. Oder aus Spieltrieb.

Positive Effekte: Arbeitsplätze entstehen und bleiben erhalten. Grosse Beträge fliessen in die Gesundheits- und Altersforschung. Mehr Leben – längere Lebenserwartung – ermöglicht längeren Genuss am Spiel ums Mehr.

Negative Begleiterscheinung: Riesige Vermögen sind oft statisch in Händen von Menschen, die sparsam – ja oft geizig damit umgehen und entziehen diese dem Wirtschaftskreislauf. Aus Angst vor dem Risiko es zu verlieren. Verständlich. Durch Negativzinsen versucht man sie zu zwingen, Geldvermögen zu investieren und in den Wirtschaftskreislauf zurükzuführen.

Geld vermehrte sich auf Konten durch Zinsen zauberhaft. Und überstieg die tatsächliche im Umlauf befindliche Geldmenge um ein Mehrfaches. Ein Krisenszenario das das ganze System zum Kippen bringen könnte: Aufgeschreckt durch eine Hiobsbotschaft stürmen Sparer die Banken und versuchen ihr Geld abzuheben – diese müssen schliessen – all die Zahlen auf Kontoauszügen sind beeindruckend und virtuell und bezeugen wohl eine Schuld der Bank gegenüber den Kunden – aber nicht die Zahlungsfähigkeit der Bank (siehe dazu mein Artikel Martin Suters Neues Buch).

Sprache

Bei Geld denken wir an Währung und Reichtum. Sätze und Worte – Worte und Sätze sind die Universalwährung – gleichzeitig wertvoll und frei verfügbar und universell einsetzbar.

Die Universalwährung Sprache garantiert das Unmögliche. Wir lassen mit Worten weisse Friedenstauben auffliegen. Ein Gutes Neues Jahr bedeutet vielen zuerst Frieden und Sicherheit. Für die einen ist es der Weltfriede. Für andere der persönliche emotionale Waffenstillstand – die Beziehung zum Partner und ein ruhiges, angenehmes und inspirierendes Familienleben.

Lange bevor Tauschwährung und später Geld aufkam – redeten wir. Schien die Sonne, beschrieben wir den Zustand als warm. Brannte in der Höhle des Nachts das Feuer genossen wir es und wir nannten das zugehörige Gefühl wohlig und die Atmosphäre gemütlich.

So beschreibt Sprache alles, was geschieht und geschah. Und noch viel wichtiger – sie beschreibt alles, was geschehen wird.


Lange vor Harry Potter und noch lange danach gibt und gab es einen Bestseller – die Bibel. Ich bin nicht besonders gläubig im Sinne von jeden Sonntag in die Kirche gehen. Und doch gehen diese Geschichten inmitten all der Geschichtsfluten durch Social Media unter die Haut.

Wieso ist das so?

Diese Geschichten zeigen die Kraft des Glaubens. Ausgerichtet auf Gott. Und von Gott auf uns. Und von uns auf unsere Mitmenschen.

Kraft und Glauben

Jeder Physiker wird Ihnen erklären, dass Kraft und Energie für sich nichts ist – ausser sie bekommt eine Richtung und entfaltet Wirkung. Die Bibel zeigt, was wir längst ahnten – unsere Kraft wird im Glauben gebündelt. Und gleichzeitig neutralisiert: Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst.

Wieso?

Wir alle wissen, dass frisch Verliebte einige Jahre mit sich selbst beschäftigt sind und kaum nach aussen wirken. Die unglaubliche Kraft, die in jungen Jahren in uns schlummert und destruktiv wirken kann, wird durch Liebe neutralisiert. Gut so!

Und erkennen wir später, dass und wie wir diese Kraft zum Guten nutzen können bekommen wir Zugang zu ihr.

2015 durfte ich Al Imfeld in Zürich interviewen – ein begnadeter Journalist und Autor. Er wohnte an der Konradstrasse beim Hauptbahnhof. Er sagte im Interview etwas, wofür ihm im Mittelalter die Inquisition gedroht hätte: Der Gott sind wir. Nein, es war keine Aussage, er stellte eine Frage –> Seid ihr selbst der Gott?

Ich bewundere Menschen, die gläubig sind – egal welcher Religion sie angehören. Es ist als hätten sie mit dem Glauben ein unglaublich festes Fundament ihres Lebens errichtet. Sie gehen ihren Weg unbeirrbar.

Sprache und Glaube kombiniert

Und dann schaue ich mich um und sehe – es gibt Leben ohne nach aussen sichtbaren Glauben. Und Erfolg. Und Erfüllung. Wie kann das sein?

Es gibt Glauben innerhalb und ausserhalb der Religionen. Und das ist gut so.

Glauben ist ein Gefühl, sage ich mir also. Der Glaube, der in den Geschichten der Bibel steckt, besteht aus Gefühlen und Worten, die diese starken Gefühle transportieren.

Somit liesse sich die gleiche Kraft erzeugen und entnehmen, wenn konstante Gefühle mit Worten kombiniert werden – unsere eigenen Worte? In der Wiederholung gewinnt diese Kombination Kraft und Aussage.

Denken Sie nur an: Ich liebe dich!

Und schauen Sie sich um, was diese drei Worte geschaffen haben. Was Menschen aus Liebe zu ihrer Familie und ihrem Partner erreichen können. Ein Beispiel dafür ist das Foto das ich für diesen Beitrag gewählt habe.

Diese Kombination aus Wort und Gefühl ist unschlagbar. Alle unsere Erinnerungen sind im Bewusstsein und Unterbewusstsein abgelegt – gute wie schlechte. Und denken wir an etwas besonders Schönes – unsere erste Liebe, eine Reise an einen wunderschönen Ort, eine Begegnung mit einem besonderen Menschen – so durchströmt uns ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit und womöglich Euphorie.

Und ist die Gegenwart heute nicht so spektakulär – weder wetter- noch gefühlsmässig – geht es uns besser, wenn wir an diese besonderen Augenblicke der Vergangenheit denken und sie wieder fühlen.

Sprache ist weit mehr wert als Geld mit dem wir den Translator kaufen. Sie ist die universelle Währung, die uns Zugang zu geliebten Menschen und unsere Ziele schafft.

Sprache träufelt uns Ehrgeiz ein und Motivation. Sprache erzählt uns davon, wie andere Menschen vorgehen, um glücklich zu werden. Sprache heilt. Sprache tröstet. Sprache versöhnt.

Wenn Sie also das nächste Mal Sprache verwenden, sprechen, seien Sie sich der unglaublichen Kraft bewusst, die ihr innewohnt und die damit in Ihnen wohnt.

Eine Kraft, die Sie zum Guten verwenden können – egal was sie tun, egal wer Sie sind und egal wo Sie leben.

Und denken wir auch an jene, die so sensibel sind, dass sie uns nicht egal sein sollten. Jene, die an Sprache und unter unbedachten Worten anderer leiden.

Schauen Sie sich um – sehen Sie diese besonderen Menschen?

Die aus dem Kreislauf von Arbeit, Wohnung und Familie ausgetreten sind. Die unsere Sprache und deren Zwänge und Ansprüche nicht aushalten können …

Wieder ist ein Jahr vorbei – denkt oder sagt der Obdachlose und weiss gleichzeitig, ob es ein gutes Jahr für ihn war. Er verknüpft ein Gefühl mit dem Satz. Und dieses Gefühl steht für alles, was geschah. Quasi ein Statistikgefühl – die Durchschnittsbewertung. Witzig und erschütternd ist, dass wir Ein Gutes Neues Jahr wünschen und der Januar Obdachlosen in unseren Breitengraden zuerst Kälte bringt.

Das Leiden der Menschen in dieser Welt werden Sie nicht allein stoppen. Alle zusammen schaffen wirs. Lassen Sie sich nicht lähmen. Al Imfeld formulierte es 2015 im Interview so:

Mein Thema ist das Leiden der Menschen in dieser Welt. Das treibt mich um und an. Ich kann einfach nicht fassen, dass es so viel Elend in dieser Welt gibt.

Al Imfeld

Lassen wir uns nicht vom Anblick und dem Wissen um das Leiden in dieser Welt lähmen.

Beginnen Sie die Kraft der Worte zu nutzen – Ihrer Worte! Das sind Laute, die vom Atem, der uns Leben schenkt erzeugt werden.

Rückblick und Aussicht

Wirkich bewusst wurde mir die Kraft der Worte zum ersten Mal, als ich Claude Ribaux 2017 traf. Er bündelte die Summe aller positiven Ereignisse meines Lebens per Aktiv-Wach-Hypnose. Und richtete deren Energie auf meine Zukunft. Was dann geschah beschrieb er – mit meinem Einverständnis – auf einer seiner Webseiten.

Erfolgreiche Menschen sind diskret. Wer möchte schon verlautbaren: All das verdanke ich … . Das tönt ja so als hätte mans nicht selbst geschafft. Ich bin da anders: Zeige Deine Dankbarkeit.

Ich bin ein offener Mensch. Dachte mir: Einer bei dem sich Manager, Politiker und Sportler – die danach erfolgreich werden – coachen lassen, weiss wos langgeht. Und suchte ihn in seinem Büro in Zürich nahe Paradeplatz auf. Bingo.

Menschen, die ich bewundere bewegen Dinge und Mitmenschen. Durch gelebtes Beispiel. Wie Roland Wiederkehr. Im Oktober 2018 lud er eine Delegation aus Kroatien, Georgien und den USA zu einer Road Safety Week in die Schweiz ein. Die Schweiz ist Weltmeister bei der Verkehrssicherheit – so die Worte auf der Webseite der Kroaten. Im regen Austausch besuchten wir die Verkehrspolizei Zürich, Basel und die der Kantone Schwyz und Uri. Um zu lernen. Wie sich Menschenleben retten lassen.



Fazit:

Jeder Schweizer Autofahrende ist Lebensretter.

Warum? Geschwindigkeitsbeschränkungen und andere Massnahmen reduzieren tödliche Unfälle massiv.

Schier unmöglich nun alle aufzulisten, denen ich viel verdanke. Sind wir nicht alle das Ergebnis von anderen und deren Hilfe und Unterstützung? Ereignisse, die mit unserer Geburt beginnen. Eine Reihung von Wundern.

Oft können wir es nicht vergelten. Aber dafür anderen helfen. Sehen Sie im Neuen Jahr Ihre Ziele und Wünsche. Und gleichzeitig die Nöte anderer. Das wünsche ich Ihnen!

Ihr Hans-Jürgen John

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Abbilder der Realität

FOTOS UND TEXT: Hans-Jürgen John

Der Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann – Abbilder der Realität

Der Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann vor dem Bistro des Kinos «RiffRaff»

Der Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann vor dem Bistro des Kinos «RiffRaff».

Der Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann erhielt für seine Filme etliche Auszeichnungen. Seine Filme kreiert er nicht nur aus seinem Kopf. Er muss viel erleben, um es dann filmisch umzusetzen.

Frühling ist es und warm. Der Regisseur von «Heimatland» betritt in Jeans und T-Shirt die Kinobar im RiffRaff in Zürich. Mit dem Skateboard unterm Arm bestellt er einen Espresso. Im Herbst kommt «Europe, she loves» in die Kinos. Premiere war auf der 66. Berlinale.

Ein Interview mit ihm zu bekommen, ist schwer. Nach drei Monaten hat es geklappt. Wir sind allein. Die getönte Scheibe im Rücken von Jan Gassmann spiegelt Fussgänger und ab und zu ein Fahrzeug.

«Im RiffRaff arbeitete ich früher. Hier sind alle unsere Filme gelaufen.» Er gehe gerne ins Kino. Aus Spass und Neugierde und über das berufliche Interesse hinaus. «Wann immer ich es mir leisten kann», fügt er hinzu.

Gassmann dreht sich eine. «Natural American Spirit.» Wozu er Filme drehe, frage ich und weiss längst, dass er eine soziale Ader hat. Sonst würde er in seinen Filmen nicht Autisten, Homosexuelle oder Krebskranke in den Mittelpunkt stellen.

Es sei einfach «der Wunsch, Geschichten zu erzählen». Inhalte so zu transportieren, dass Zuschauer sie aufnehmen könnten. «Wenn alles gut läuft, bin ich als Künstler mehr verloren, als wenns schlecht läuft.» Gerade der Misserfolg und Neues spornten ihn an. Seit 14 Jahren mache er längere Filme. «Ich habe den Anspruch, besser zu werden. Weiterzukommen. Mich selber herauszufordern, ist das Ziel. Projekte zu machen, die ich noch nicht versucht habe.»

«Zuschauer herausfordern und zum Denken anregen»

Filme mit Vorbildcharakter? Er lacht. Nein, das sei sicher nicht seine Aufgabe. Die Realität bilde er im Film ab. «In meinen Filmen gibt es Sexualität, Drogen und alles Mögliche, was uns das Leben so anbietet.» Gleich schränkt er ein: «Im Film geht es nicht um die perfekte Abbildung. Er bringt die Phantasie im besten Fall ins Rollen.»

Ein anderer Aspekt ist ihm wichtig: «Unserer Welt fehlt es an Helden.» Und so kommen seine Filme ohne aus. «Eher mit Antihelden.»
Früher, ja früher wollte er mit seinen Filmen etwas erreichen, auch politisch. Heute sieht er das weiter: «Film muss keine Lösung oder Handlungsanweisung sein. Meine Filme sollen den Zuschauer herausfordern und zum Denken anregen.»

Nach und nach sind die Tische um uns herum alle besetzt. Liegt es an dem bekannten Filmregisseur oder an der freitäglichen Aprilsonne? 2008 erhielt er allein für «Chrigu» den Berner und den Zürcher Filmpreis und 2009 den Preis der Schweizer Filmkritik und den Prix Walo. Weitere Preise für weitere Filme folgten. «Chrigu» liege ihm nach all den Jahren immer noch sehr am Herzen.

Genügsam

Was verbindet den privaten Jan Gassmann mit dem Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann? Er lebe sehr intensiv. «Exzessiv im Leben und exzessiv in der Arbeit.» Liebe, Party, Drogen – das alles gehöre irgendwie zum Leben dazu. Das ganze Leben bestehe sicher nicht daraus. «Im Exzess fällt einem nichts zu.» Er inspiriere allenfalls.

Der Schweizer Filmregisseur Jan Gassmann liebt Zürich. Er vermisst hier nur das Meer.
Jan Gassmann liebt Zürich. Er vermisst hier nur das Meer.

Für Gassmann gibt es unterschiedliche Regisseure. «Die einen kreieren alles aus ihrem Kopf.» Er gehöre sicher zu denen, die vieles erleben müssen und es dann filmisch umsetzen.

Wo wir beim Vergleich mit anderen sind: Es gebe Leute, die seien schon aufgrund der Herkunft privilegiert. «Ich habe die Welt eher von der Mitte und von unten gesehen. So hat alles bei mir eher mit Wille und Arbeit zu tun und weniger mit Connections oder so.»

Er habe sich das Leben bereits sehr früh selber finanzieren können. «Als Cutter oder über Nebenjobs.» Er sieht zu den getönten Scheiben des Bistros hinüber, zu dem ein Kino gehört.

«Ich fühle mich sehr frei in dem, was ich mache. Mein Leben ist recht skalierbar. Ich kann mal mehr Geld haben und mal weniger. Ich habe nicht besonders viele Wünsche.» Er brauche wenig zum Leben. «Ich kaufe ab und zu mal eine Schallplatte. Thatʼs it.»

Unabhängig

Hager ist er, fast dünn. Wichtig sei, was man zu sich nehme. «En guete Zmorge und dann einmal eine Mahlzeit am Tag» reiche ihm. Als Student lag ihm Pasta, jetzt seien es eher Kartoffeln in jeglicher Zubereitung, mal Fisch und Salat.

Ist in seinem Leben Platz für Kinder und damit Familie? Ja, bestimmt. Wie sich das halt ergebe.
«Ich habe keinen Lebensplan, der mir sagt: Jetzt bist du 32. Jetzt musst du dich so verhalten.» Es gebe für ihn nicht ein Ziel oder eine Zufriedenheit. Das «Wichtigste auf der Welt» existiere für ihn nicht.

«Das Zwischenmenschliche zählt sehr viel für mich.» Ungekämmt und mit Dreitagebart sitzt er mir vor dem Bistro gegenüber. Ist sein Äusseres der Filter, mit dem er sich Menschen auf Abstand hält, die Kontakte nach dem Aussehen knüpfen?

Er legt beide Hände auf der Tischkante ab. Richtig sei, intensiv zu leben. Den Moment mitzunehmen. «Das Licht macht den Schatten und umgekehrt.» Wenn etwas wichtig sei, dann verschiedene Momente. Und davon wieder die problematischen. Da ist sie wieder. Seine Art, sich zu motivieren. Über alles, was nicht rund ist und nicht rund läuft.

Er reist gerne. Der 32-Jährige war in den USA. In Thailand, dem Senegal und Mexiko und auch ein Jahr in Ecuador, teilweise mit Stipendium. «Mit dem Auftrag, für einen Film zu reisen, ist nochmals sehr viel interessanter, als nur zu relaxen. Du hast sofort Kontakt zu den Leuten.»

In Indien hat er auch gedreht. Und er sei gerne immer wieder in Zürich. «Es gibt hier ein breites Angebot. Und viel Kontrast. Das mag ich sehr gerne an dieser Stadt.»

In Geld sieht er vor allem ein Mittel. «Geld ist okay. Ich beklage mich nicht. Ich kann von den Filmen leben. Das Einzige, was ich in Zürich vermisse, ist das Meer. Sollte ich einmal viel, viel Geld haben, werde ich mir irgendwo in einem Dörfchen eine kleine Wohnung mieten.»

Unabhängig zu sein, sei ein extremes Privileg im Vergleich zu anderen. «Es ist aber nicht geschenkt. Filme machen ist nicht wie eine Karriere, in der alles immer grösser wird. Oft gibt es einen Bruch.»

Vier Jahre an einem Projekt zu arbeiten, und dann komme es nicht zustande – das sei möglich.
Was macht er dagegen? Zurzeit arbeite er an zwei bis drei Projekten gleichzeitig. Komme eines nicht zustande, so greife er auf ein anderes zurück. Und werden alle realisiert? Er lacht. «Ich habe dann auf einmal sehr, sehr viel zu tun.»

«Europe, she loves» im Herbst in den Kinos

Tastet er sich nach mehreren Filmen mit sozialem Hintergrund an einen Kassenknüller heran? «Europe, she loves» spielt in verschiedenen europäischen Ländern. Und es dreht sich um Beziehungen.

Jan Gassmann bleibt bescheiden und skeptisch. Der Film ist eher melancholisch. «Es gibt keine Formel.» Viele machten den Film, der die Massen bediene. Und scheitern. Auch die Amerikaner hätten die todsichere Formel nicht. Viele Schweizer Filme schafften es nicht, das Geld einzuspielen, das sie gekostet hätten.

Fazit? «Ich erzähle im Film erst einmal das, was mich interessiert.» Erfolg dürfe nicht die primäre Motivation sein. «Steckt die falsche Motivation hinter einem Ziel, kommt der Erfolg nicht.»

Sein filmisches Erbe kümmere ihn wenig. Sicher sei es ein Nebeneffekt, dass seine Filme Momentaufnahmen ihrer Zeit seien. «Und im besten Fall langsam altern.» Er wiederholt: «Viel wichtiger ist mir, was ich im zwischenmenschlichen Bereich, in der Familie, den Beziehungen und mit Freunden hinterlassen kann.»

Die Ideen für seine Filme kommen ihm spontan. «Europe, she loves» fiel ihm unter der Dusche ein. «Ein Film mit viel Risiko.» Sie fuhren im Team 20 000 Kilometer durch Europa. Niemand wusste, ob der VW-Bus das durchhalte. Ob sie genügend Pärchen für die Dokumentation finden würden.

Ja, den Führerschein habe er. Und der VW-Bus sei der Firmenwagen für alle. Mit Julia Tal und Lisa Blatter hat er 2012 die Produktionsfirma 2:1 Film gegründet.
Spricht, nimmt sein Skateboard und surft die Strasse hinunter.

Dieser Artikel wurde am 15.06.2016 auf https://derarbeitsmarkt.ch veröffentlicht.

Die Liste aller dort veröffentlichten Artikel finden Sie hier:
https://johntext.info/worte-bewegen-die-welt/

Der Name ist Programm

FOTOS UND TEXT: Hans-Jürgen John

Der Name ist Programm – Thomas Stark

Der Name ist Programm – Thomas Stark montiert eine Deckenleuchte.

Thomas Stark aus Zwingen (BL) wagt als Elektroinstallateur den Schritt in die Selbständigkeit. Mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk meistert er etliche Hürden.

Mit raschen Bewegungen schliesst Thomas Stark eine Netzwerksteckdose in seinem Büro an. Hier verbindet er einen Computer mit dem Internet. Der Elektroinstallateur aus Zwingen (BL) arbeitet seit Dezember 2015 selbständig mit seiner Stark Strom GmbH.

«Es ist ein Risiko»

Thomas Stark, Laufen (BL), über den Schritt in die Selbständigkeit

Das Vertrauen in die Kunden und seine Fähigkeiten machten diesen Schritt indes kalkulierbar. Arbeit sei genug da.

Stark prüft, ob der Strom abgestellt ist. Sicherheit geht immer vor. Dann nimmt er sich eine Leiter und montiert eine Deckenleuchte. Während andere noch über den Frankenschock jammern, stellt er Anfang April den ersten Mitarbeiter ein. Der Weg bis dahin ist lang. Der vierjährigen Ausbildung zum Elektromonteur folgen sechs Jahre Praxis. Die Prüfung zum Elektrokontrolleur und Chefmonteur besteht er 1997. Damit ist er berechtigt, auszubilden. Seit er die höhere Fachprüfung zum eidgenössisch diplomierten Elektroinstallateur 2007 abgelegt hat, überlegt er, sich selbständig zu machen.

2015 ist es so weit. Die Kinder sind in einem Alter, in dem sie den zweiten Elternteil weniger brauchen. Thomas Stark ist seit 1999 verheiratet. Mit seiner Frau Carmen hat er drei Kinder zwischen 14 und 20 Jahren. Die Familie kommt für ihn an erster Stelle. Das geht ihm so wie vielen anderen. «Dafür arbeiten wir schliesslich.» Sein ältester Sohn absolviere eine Lehre als Automatiker in den Pilatuswerken in Stans (NW). «Und Urban beginnt eine Lehre als Elektroinstallateur in Breitenbach.»
 
Ohne Elektroinstallateure geht nichts

Beim Elektroinstallateur denken die meisten an eine Person, die mit Hammer und Meissel Schlitze ins Mauerwerk von Rohbauten klopft. Um damit Raum für Elektrokabel und Steckdosen zu schaffen. Dabei sei das eine Tätigkeit von vielen. Thomas Stark lächelt. Eine Person, die mit Schraubenzieher und Plan eine Leitung anschliesse, um eine Verbindung zu schaffen, passe besser in die Realität.

Der 46-Jährige ist überzeugt, dass seine Branche krisensicher ist.

«Wir machen uns unentbehrlich. Wir sind bereits da, wenn das Fundament gelegt wird, und erden es. Praktisch bis zum Bezug des Hauses sind Elektroinstallateure anzutreffen.»

Thomas Stark, Laufen (BL)

Sie schlitzen Wände auf und bereiten sie für Kabelrohre vor. Sie verlegen Schalterkästchen unter Putz und ziehen Drähte und Kabel in die Rohre ein. Die Haustechnikanlagen – Heizung, Boiler, Lüftung – werden angeschlossen. Elektroinstallateure montieren Schalter und Steckdosen. Am Schluss sind alle Beleuchtungen «ready for use».

Thomas Stark steigt aufs Flachdach der Gewerbeliegenschaft, in der sein Büro liegt. Die ganze Fläche wird für die Photovoltaikanlage genutzt. Sie produziert in Zwingen genügend Strom für 30 Einfamilienhäuser. Geduldig prüft er die Anschlüsse.


Thomas Stark prüft eine Photovoltaikanlage in Zwingen (BL). Sie liefert Strom für 30 Einfamilienhäuser.

Neben der Arbeit und der Familie bleibt wenig Zeit. So liegt nahe, dass sein Steckenpferd Teil seiner Arbeit ist. Erneuerbare Energien wie Photovoltaik faszinieren ihn. Die Nachfrage nach diesen Anlagen steigt. Mit Zustimmung des jeweiligen Energiebetreibers wird überschüssiger Strom in das Netz eingespeist.

«Ich bin überzeugt, dass in nächster Zeit die Energie aus Photovoltaikanlagen kurzfristig speicherbar wird. Will die Schweiz ohne Kernkraftwerke auskommen, braucht sie neben den Wasserkraftwerken und den Pumpspeichern mehr von solchen Kurzzeit-Speicheranlagen.»

Thomas Stark, Laufen (BL)

Im Büro arbeitet Stark am PC mittels CAD-Programm die Pläne für die Elektroinstallationen eines Mehrfamilienhauses aus. Wo er früher von Hand mühsam gezeichnet hat, entstehen wie von Zauberhand Steckdosenanschlüsse und Verteilerkästen.

Starks Werdegang mag anderen Mut machen, es gleichzutun. «Anfangs war ich einige Jahre als Monteur auf Baustellen unterwegs.» Bereits früh konnte er bei der Planung von Bauten als Sachbearbeiter und als CAD-Zeichner mitwirken. Über den Projektleiter, Chefkontrolleur und Filialleiter stieg er dann zum Geschäftsführer eines KMU auf.

Der Fachkräftemangel sei ein Problem. Ohne Arbeiter aus dem Ausland gehe es in der Schweiz zurzeit nicht, sagt Stark. Auch ein Vorrang der Inländer mache wenig Sinn. «Die Fähigkeiten müssen den Ausschlag geben.» Und so ist für ihn Weiterbildung der wichtigste Schritt, um auf dem Arbeitsmarkt mithalten zu können.
 
Mehr Lehrstellen als Interessierte

Ihn persönlich packte der Beruf, als er in einer Schnupperlehre mit einer Spitzmaschine und einer Schlitzmaschine Installationen in Backsteinwänden unter Putz verlegen durfte. «Dies hat enorm viel Kraft gebraucht und hat mir sehr viel Spass bereitet. Daraufhin habe ich mich für diesen Beruf entschieden. Prompt kam die Zusage für diese Lehrstelle.»

Schade findet er, dass es derzeit mehr Lehrstellen als Interessierte gebe. «Dabei sind die Aufstiegschancen sehr gut.» Als Projektleiter und eidgenössisch diplomierter Elektroinstallateur ist der Schritt vom Arbeiter zum Teamleiter gemacht. Über weitere Ausbildungen erfolgen Spezialisierungen für die IT-Branche, Energieberatung und Photovoltaik. Haustechnik-, Brandmelde- und Alarmanlagen sind mögliche Betätigungsfelder.

«Das ist für jeden etwas», ist sich Stark sicher. Wer gerne bei Wind und Wetter draussen sei und technisches Verständnis mitbringe, habe es in diesem Beruf leichter. Vieles sei einfacher geworden im Vergleich zu früher. Das Internet ermögliche, sich von unterwegs technische Anleitungen anzusehen.

Und meisselte der Elektroinstallateur noch vor einigen Jahren von Hand die Schlitze für die Elektrorohre, gebe es heute Maschinen und spezielles Werkzeug, die die schwere Arbeit abnähmen. Wie in vielen anderen Handwerksberufen verlagert sich der Schwerpunkt von der körperlichen zur Kopfarbeit. «Ein anspruchsvoller Job», fasst Thomas Stark zusammen.

Der Name ist Programm – Thomas Stark plant per CAD-Programm die Elektroinstallationen eines Mehrfamilienhauses

Der Schritt in die Selbständigkeit war letztes Jahr nicht mehr ganz so gross.

«Ich habe mich als Angestellter immer für die Firma eingesetzt, als wäre sie meine eigene. Mit der Selbständigkeit zahlt sich dieses Engagement nun für mich aus.»

Thomas Stark, Laufen (BL)

Die Fragen, die zusammen mit der Existenzgründung auftauchten, bewältigte er dank der Mithilfe des Business Parc in Reinach. Das Coaching-Team unterstützt Start-ups vor, während und nach der Gründung. «Dafür bin ich sehr dankbar. Ohne die Hilfen des Kantons und des RAVs wären viele Existenzgründungen undenkbar.» Am wichtigsten für die Kalkulation des Risikos und des möglichen Wachstums ist der Finanzplan. Darunter falle auch der Liquiditätsplan, die voraus kalkulierte Einnahmen- und Ausgabenrechnung.

Einige Fragen bleiben für Thomas Stark existenziell: Darf ich diese Maschinen kaufen? Darf ich jemanden einstellen? Eine Fehlentscheidung kann ihn in den Konkurs führen.

Allerdings ist die Existenzgründung nicht für jeden geeignet.

«Es braucht sowohl fachliche wie auch kommunikative Fähigkeiten. Dazu kommt ein Netzwerk.»

Thomas Stark, Laufen (BL)

Daher sei die Rechnung, dass mehr Selbständige die Arbeitslosigkeit in der Schweiz verringern könnten, grundsätzlich richtig, aber zu einfach formuliert.
 
Etwas finden, das Spass macht

Erleichtern könnten Bund und Kantone den Schritt in die Selbständigkeit sehr, indem sie mutige Handwerker entlasteten.

«Neuunternehmungen müssten im ersten Jahr teilweise von den Sozialleistungen entbunden werden.»

Thomas Stark, Laufen (BL)

Schon die kurze Zeit als Selbständiger hat Stark gezeigt, welche Hürden er überwinden muss. Zahlungen an BVG und AHV sind Vorauszahlungen. Könnte er diese Zahlungen erst zusammen mit der Lohnzahlung begleichen, wäre das eine grosse Erleichterung. «Hier ist eine Änderung notwendig.»

Was rät Thomas Stark jenen, die sich beim Berufswunsch schwertun? «Du musst etwas finden, das dir Spass macht.» Um das herauszufinden, seien Praktika da. Sei der Spass da, komme das Interesse, mehr wissen zu wollen, automatisch.

«Richtig erfolgreich werden nur die, die von ihrer Arbeit begeistert sind und das auch zeigen», ist er überzeugt. Sobald ein Jugendlicher realisiert: Alles, was ich mir leiste, finanziert mein Job, denkt er um. Schliesslich sei Arbeit Erfüllung und bringe Freude und Selbstbestätigung. «Das Gefühl, etwas zu leisten, ist toll.»

Der Name ist Programm – Thomas Stark bereitet alles für den nächsten Arbeitstag vor.


Jeden Abend belädt Thomas Stark seinen Lieferwagen.
 
Dieser Artikel wurde von mir auf derarbeitsmarkt.ch veröffentlicht.

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