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Der Mindestlohn

4.000 CHF Mindestlohn. Das hört sich für Arbeitnehmer gut an. Sie werden für den Mindestlohn stimmen. Männer, die eine Familie gründen wollen und die wissen, dass sie diese Aufgabe finanziell mit dem bisherigen Lohn nicht stemmen können, wenn die Frau nicht arbeiten geht. Väter, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder einmal für wenig Geld arbeiten müssen. Frauen und Mütter, weil sie eh benachteiligt sind und ihr durchschnittlicher Lohn immer noch 20 Prozent unter dem der Männer im gleichen Beruf liegt. Auch jene, die bereits über 4.000 CHF im Monat verdienen denken an die Zukunft. Wer weiß, vielleicht sind sie bei Arbeitsplatzverlust einmal darauf angewiesen, dass es diese Mindestlohngarantie gibt.

Und doch: Eine Mindestlohninitiative geht für viele an der Realität vorbei. Entscheidend ist, was der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber aushandelt. Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. So manchem ist ein sicherer Arbeitsplatz und ein gutes Verhältnis zu seinem Arbeitgeber weit wichtiger als das Pochen auf einen Mindestlohn. Die Mindestlohninitiative wird vor allem zu einem Gradmesser für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer.

Die Befürworter sind der Meinung, mehr Geld in den Taschen derer, die es leichter ausgeben, schaufele Geld in den Wirtschaftsprozess und komme letztlich den KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) zugute. Ein Argument, das sich auch die Befürworter des Grundeinkommens zugute machen.

Wie schon bei der Volksinitiative vom 09.02.2014 gegen unkontrollierte Einwanderung sagen die einen, dass ein Mindestlohn in dieser Höhe der Wirtschaft massiv schaden wird. Doch seien wir ehrlich. Höhere Kosten wird jedes Unternehmen instinktiv im ersten Moment der Erkenntnis wieder über teurere Produkte oder weniger Arbeitnehmer, also Entlassungen auszugleichen versuchen. Beides steht jedoch einem Wachstum des Unternehmens entgegen. Stattdessen wird es also versuchen, durch aggressiveres Agieren am Markt mehr Gewinn einzufahren.

Länder mit tiefen Löhnen hätten weniger Arbeitslose. Damit die Schweiz ein Land mit tiefer Arbeitslosenquote bleibt, dürfe es die Mindeslohninitiative nicht geben. Das ist erwiesenermaßen falsch. Länder mit sehr hoher Arbeitslosenquote wie Spanien und Portugal haben tiefe Löhne.

Fakt ist, dass die Schweiz das Land mit den höchsten Lebenshaltungskosten weltweit ist. Die Webseite http://www.swissinfo.ch stellte das schon vor einem Jahr fest. Demnach sind Lebensmittel im Vergleich mit dem Durchschnitt circa 45 % teurer als in Westeuropa. Wer in der Schweiz wohnt und arbeitet, sieht die Realität. Eine Dreizimmerwohnung auf dem Lande schlägt hier mit 1200 CHF zu Buche. Wohnungen in Städten wie Zürich sind teurer. Wie kommt das? Es wird mit der Wohnungsknappheit und hohen Grundstückspreisen erklärt. Blättert man durch die Wohnungsanzeigen im Immoscout24.ch findet sich für den Raum Zürich kaum eine Dreizimmerwohnung unter 2.500 CHF. Ausschläge nach unten und oben sind möglich. Dreieinhalb Zimmer für 4.250 CHF sind nicht selten. Das heißt aber nicht, dass man sie auch bekommt. Die Nachfrage ist riesig.

Und schon gibt es Stimmen, die meinen 4.000 CHF Mindestlohn wären für Zürich angebracht. In anderen Landesteilen wären die Lebenshaltungskosten sehr viel niedriger, dort bräuchte es das nicht. Unmöglich ist es regionale Besonderheiten im Sinne der Gleichbehandlung zu berücksichtigen.

Die Schweiz ist ein Land, in dem die Bürger letztendlich bestimmen, was die Politik zu tun hat. Die Löhne sind hoch und trotzdem geht es allen gut. Das Märchen vom Arbeiter, der mit wenig Geld nach Hause gehen muss, damit seine Firma wettbewerbsfähig bleiben kann, ist eine glatte Lüge. Solche Ammenmärchen müssen die Menschen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ohne direkte Demokratie und damit ohne direkte Einflussnahme auf die Politik glauben. Sie haben nach der Wahl keine Möglichkeit mehr in die politischen Entscheidungen einzugreifen. Die deutsche Politik fördert und unterstützt die Firmen in der Annahme, dass wenn es den Firmen gut geht, diese es an ihre Arbeitnehmer weitergeben. Ein Trugschluss. Jede AG ist gezwungen, ihren Aktionären gegenüber sogar in Zeiten von Gewinnausweisen Kosteneffizienz nachzuweisen. Am meisten lässt sich sparen, indem mit einem Federstrich 10.000 Angestellte entlassen werden.

In Deutschland und anderen Ländern wählen die Bürger ihre Volksvertreter und hoffen und glauben daran, dass diese in ihrem Sinne bei Abstimmungen handeln. In der Schweiz muss es sich ein Politiker zweimal überlegen, was er tut. Das erste Mal, wenn die überall gegenwärtigen Lobbyisten der Wirtschaft bei ihm anklopfen und ihm suggerieren wollen, wie er zu stimmen hat. Das zweite Mal bei der Abstimmung selbst, wenn er vor seinem geistigen Auge die wütenden Wähler sieht, die seine Entscheidung bei der nächsten Volksinitiative wieder rückgängig machen.

Es ist schwer zu sagen, wie die Abstimmung ausgehen wird. Auch vor dem Hintergrund einer kommenden Abstimmung über das Grundeinkommen (2.500 CHF Einkommen für alle, ohne etwas dafür tun zu müssen) könnte es ein «Ja» zum Mindestlohn geben. Daran ändert auch nichts, dass sogar die Neue Zürcher Zeitung mehrfach Artikel gegen die Einführung des Mindestlohnes lanciert hat. «Das Märchen vom Mindestlohn» (NZZ vom 04. April 2014); «Warnung vor dem Mindestlohn» (NZZ vom 10. April 2014);

Hans-Jürgen John ist Hans John (@rafaelofirst) auf Twitter und Hans.John.16 auf Facebook. Hans bloggt auf www.johntext.de und www.tage-bau.de