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Rolf Hermann: Der Hosenträgerpianist

Rolf Hermann las auf den Solothurnern Literaturtagen heute vormittag aus seinem Lyrikwerk.

Rolf Hermann (links) und Pascal Frey

Die Solothurner Literaturtage 2013 gehen heute zu Ende. Grund genug für Johntext dieses wichtige Schweizer Literaturereignis exemplarisch vorzustellen.

Die Literaturtage standen dieses Jahr unter dem Motto «Anfänge». Darunter kann man ausdrücklich Roman oder Lyrikanfänge verstehen. Diesem Erstkontakt zwischen Leser und Autor nach dem Aufschlagen des Buches kommt eine große Bedeutung zu. Es soll Autoren geben, die einen Roman schreiben und dann erst den Romananfang formulieren. Berühmte Romananfänge sind auch ohne ihren Kontext für sich alleine schon lesenswert.

Wie hält es Rolf Hermann damit? Heute Vormittag vorgestellt und bei der Lesung von Pascal Frey im wunderschönen Solothurner Palais Besenval am Ufer der Aare moderiert und begleitet gewährte Hermann Einblicke in seinen Schreibprozess.

Rolf Hermann (links) im Palais Besenval, Solothurn

Rolf Hermann schreibt Lyrik. Lyrik? Das waren für mich bislang kodierte Texte, durch die der weltfremde und weltscheue Dichter unverständlich formuliert, um so die Leser dazu zu zwingen, sich mit seinem Werk und letztlich mit ihm selbst zu beschäftigen. Ein Hauruckakt, also. Der Dichter versucht, seine Scheu vor der Welt zu überwinden, indem er die Leser dazu zwingt, bei ihm nach dem Sinn seines Werkes anzufragen. Diese einfache Sicht auf den Dichter im Elfenbeinturm musste ich heute korrigieren.

Rolf Hermann schöpft aus Sinneseindrücken, aufgeschnappten Gesprächsteilen, Versatzstücken aus den Feuilletons der Zeitungen und Reiseberichten. Diese werden per PC zu einem Wahrnehmungsprotokoll, einer Sammlung zusammengefügt. Danach wird alles abgespeichert und vergessen und abgelagert. Später kommt dann die Analyse, das Zusammenstellen zu Lyrik unter Beachtung einschlägiger formaler Kriterien wie Reim, Versmaß …

Am Beispiel vom «Der Hosenträgerpianist» wurden die Zuhörer in die Lesung mit einbezogen. Sie konnten ihre Assoziationen zum Gedicht – per Diaprojektor visualisiert – vortragen. Zeilen wie «Wer sich in die Betrachtung einer Büroklammer vertieft, entdeckt darin sein Selbstporträt:» regten zur Reflexion an.

Pascal Frey begleitete die interessante Lesung mit Infos zu Leben und Wirken Hermanns, sowie dessen Stellenwert in der Kritik.

Rolf Hermann wurde 1973 im Oberwallis geboren. Zwei Jahre verbrachte er in Iowa, USA, seine Ehefrau stammt von dort. Iowa hat nach Hermann eine Fläche dreimal so groß wie die Schweiz und dabei weniger als halb so viel Einwohner. Die Landschaft sei von Monokulturen geprägt. Unzählige Kühe und circa 30 Millionen Schweine gäbe es dort.

Pascal Frey nahm das zum Anlass nachzuhaken, ob lyrische Produktion ortsabhängig sei? Hermann verneinte. Gedichte, die in Iowa entstanden seien, müssten nicht dringend über Iowa handeln. Impressionen aus der jeweiligen Umgebung könnten aber durchaus Lyrik beeinflussen, je nachdem, ob es sich um Kopfreisen oder tatsächliche Reisen handele.

Pascal Frey bemerkte, Hermanns Gedichte würden mit Gemälden von Salvador Dali verglichen. Rolf Hermann sieht seine Lyrik durchaus auch surrealistisch aber nicht nur. Für ihn ist Literatur etwas «was nicht auf Anhieb verständlich sein darf.» Texte dürfen für ihn Fragen auslösen und sollen nicht auf Anhieb verständlich sein.

© 2013 Fotos und Text: Hans-Jürgen John

Hans-Jürgen John ist auf LinkedIn, Facebook und Twitter. Hans bloggt auf www.johntext.de und Johntext Switzerland .