Orientierung am Tagesgeschehen

Johntext im Linksrutsch?

Am 09. Februar 2012 hatte ich Herrn Christoph Blocher (SVP) angeschrieben. Weil meine Webseite www.johntext.de nun je Land einen Autor suche, hätte ich gerne einen Vorschlag von ihm dazu.

Er antwortete am 20. Februar 2012 – zu meiner Überraschung, weil mein Umfeld gemeint hatte, ich bekäme nie eine Antwort von ihm persönlich – er könne mir leider keinen Tipp zur Autorensuche geben.

Gibt es keine guten Autoren im SVP-Umfeld? Wie auch immer ich bin aus dem Schneider. Bis jetzt konnte ich deshalb nur politisch gesehen links stehende Autoren für Indien und Great Britain gewinnen. Die Schweiz wäre noch nicht belegt – ich schreibe nur stellvertretend hier.

Die Zeitungen sind voll von Ereignissen, die interessant bis kurios sind:

Steuergerechtigkeit für Unternehmen?

Ich komme aus dem Deutschen und bin seit fünf Jahren hier. Dass es unterschiedliche Steuersätze je Gemeinde für Private gibt, habe ich mitbekommen. Dass es auch unterschiedliche Steuersätze für Unternehmen gibt, war mir neu. Cédric Wermut, SP Nationalrat für den Aargau, meint dazu in der heutigen Ausgabe der Nordwestschweiz, dass das den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen anheize und Ursache dafür sei, dass «17 Kantone für 2014 ein Defizit budgetieren müssten». Er fordert: «Ein Land, eine Steuer.» Und stellt sich diese Forderung im Rahmen einer Volksinitiative bildlich vor. Ansonsten habe ich ja mit der SP wenig am Hut. Hier hat er recht.

Der Menschenfreund.

Der Focus (Erscheinungsweise wöchentlich) vom 11.11.2013 interviewte Bill Gates. Er habe bereits 28 Milliarden aus seinem Vermögen über die Bill und Melinda Gates Stiftung gespendet. Dieses Jahr waren es 3,4 Milliarden. Das kann er wohl bei einem Vermögen von circa 72 Milliarden.

Ein Mensch als Vorbild für andere Reiche? Wohl kaum. Wer Geld anhäuft, hat das Geldverdienen und Geldbehalten und Geldanhäufen so verinnerlicht, dass er lieber mit einem großen Bankkonto von dieser Welt geht, als auch nur einen Cent davon zu stiften und zu spenden – außer die steuerlichen Anreize für Spenden sind so attraktiv, dass das Modell «Spenden anstatt Steuern bezahlen» durchschlägt.

Wirklichkeitsfremd?

Die SVP müsste einmal über die Bücher und einen langen Blick in ihr Parteiprogramm werfen. Allgemein bekannt ist, dass sich die SVP dem traditionellen Bild von der Familie verpflichtet fühlt. Was versteht man darunter? Laut der Nordwestschweiz vom 13.11.2013: Die Mutter kümmert sich um Haushalt und Kinder, während der Vater das Geld nach Hause bringt.

Der SVP-Parteipräsident Toni Brunner wird im gleichen Artikel so dargestellt: «Der 39-Jährige lebt mit einer Karrierefrau im Konkubinat, ohne Kinder.»

Nun liefe das alles – auch unter Berücksichtigung der Vorbildfunktion des Parteipräsidenten unter «Freiheit der Gestaltung des persönlichen Lebens». Wenn, ja wenn da nicht ein kleines Detail wäre, das es zu erwähnen lohnt. Die Nordwestschweiz meint dazu im Kommentar des De Schepper: «Am 9. Februar stimmt das Schweizer Volk über die SVP-Masseneinwanderungsinitiative ab.»

De Schepper (der natürlich links steht und seinen Kommentar politisch bedingt formuliert und nicht, weil er einen Ast für die Ausländer brechen möchte) zieht genüsslich ein Fazit: Gut ausgebildete Schweizer Frauen werden laut SVP-Familieninitiative mit Geld an den Herd gelockt und die Wirtschaft so gezwungen, noch mehr Ausländer und Ausländerinnen einzustellen.
De Schepper hat auch gleich ein Zitat von Belgiens Premierminister Elio di Rupo zu Hand: «das Zuwanderung nicht einfach ein Übel, sondern eine Realität und Chance ist.»

Wie geht das zusammen? Wenn die Frauen an ihren angestammten Platz, den Herd zurückkehren würden, müsste man doch erst 20 Jahre warten, bis endlich der zu erwartende Nachwuchs so weit wäre, dass er in die Rentenkassen einzuzahlen beginnt. Wer soll es bis dahin richten, wenn nicht die Ausländer, die sich dem traditionellen Bild von der Familie mit mehreren Kindern sehr verbunden fühlen. Liegt hier neues Wählerpotenzial für die SVP brach?

Kann es SVP-Übervater Christoph Blocher noch richten, bevor sich die Volkspartei lächerlich macht? Unvergessen ist seine Standhaftigkeit, die verhinderte, dass sich die Schweiz der EU anbiedert und ihre in Jahrzehnten erreichten Errungenschaften preisgibt. Als da wären Souveränität, niedrige Arbeitslosenquote, wenig Sozialhilfeempfänger, gesunde Wirtschaft und eine stabile Währung.

© 2013 Hans-Jürgen John

Hans ist Hans John (@rafaelofirst) auf Twitter und Hans.John.16 auf Facebook. Hans bloggt auf www.johntext.de und www.tage-bau.de.

Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

Sonntag früh, 10 Uhr, Lostorf, Schweiz. Wo andernorts die Kirchenglocken läuten, wird hier auf Schloss Wartenfels gelesen, diskutiert und zugehört.

Alex Capus

Foto: Hans-Jürgen John

Der Autor von «Léon und Louise» (2011) ist groß und blond. Er spricht frei und mit Humor. Etliche der Besucher seiner Lesung heute mögen ihn bereits kennen. Er hat seinen Wohnsitz in der Region.  Mitunter trifft man ihn im Restaurant «Flügelrad» in Olten an.

«Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer» – ungewöhnlich scheint auf den ersten Blick, dass Alex Capus aus seinem noch unveröffentlichten Buch liest. Es erscheint am 29. Juli 2013. Doch tatsächlich verrät er nicht zuviel. Die Spannung und Neugierde bleibt.

Nachdem «Léon und Louise» ein in bislang zwölf Sprachen übersetzter Erfolgsroman ist, steigt nun die Erwartungshaltung beim neuesten Buch entsprechend. Der Titel verspricht einiges. Vermag der Inhalt der Lust auf Spannung, Unterhaltung und Lesegenuss  genügen? Geduld, Geduld es sind nur noch drei Wochen bis das Buch in die Läden kommt.

Lesung über den unveröffentlichten Roman «Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer»

Etwa 90 Literaturbegeisterte folgen bei tadellosem Sommerwetter dem Ruf des Autors. Hoch über den oft kleinlichen Streitigkeiten unten im Land gelegen, bietet Schloss Wartenfels die richtige Atmosphäre für diese Lesung.  Unter riesigen, weißen Sonnenschirmen lauschen die Besucher Capus, der die persönlichen Geschicke dreier historisch bekannter Menschen skizziert. Wie unser aller Leben läuft auch deren Geschick vor dem Hintergrund der großen Wegweiser der Geschichte des letzten Jahrhunderts ab – in deren Fall sind dies die beiden Weltkriege.

Alex Capus wählt für sein Buch drei Helden dieser Geschichte. Ihre individuellen Wege durchs Leben kreuzen sich  – laut Capus  – im November 1924 am Hauptbahnhof Zürich. Wobei nichts darauf hindeute, dass sie sich gegenseitig wahrnehmen.

Die drei Helden sind historisch belegt. Der Vergleich ihrer Lebensstationen bei Wikipedia – sofern dort ihre Biografie hinterlegt ist – zeigt wie Capus als studierter Historiker Lebensläufe von Menschen nacherzählt, deren Schicksal uns heute etwas mitzuteilen hat.

Felix Bloch erlebt während seiner Gymnasialzeit den 1. Weltkrieg – die erste automatisierte Massenvernichtung von Menschen. Er beschließt einen Beruf zu wählen, der dem Krieg damals in keinerlei Weise förderlich ist: Atomphysik.

Laura d’Oriano fehlt – als Tochter einer Musikerfamilie – das Talent zur Sängerin und sie wird wegen ihrer Mehrsprachigkeit zur Spionin der Alliierten in Italien.

Emile Gilliéron glänzt mit Begabung als Maler und Zeichner. Er hat nicht vor, einen Beruf daraus zu machen. Bis er in Paris einem deutschen Milliardär über den Weg läuft: Heinrich Schliemann. Als Tandem reisen sie durch Griechenland, graben Troja aus und Gilliéron hält alles zeichnerisch fest.

Alex Capus ist ein Mensch mit Ecken und Kanten und solche raren Charaktere sind mir sympathisch. Man weiss immer woran man bei diesem geradelinigen Menschenschlag ist.  Seine Kolumne in «Die Nordwestschweiz» über «Sprechende Abfalleimer» in Olten hat für Aufregung gesorgt. Die Helden seines neuen Romans sind keine Menschen auf Kuschelkurs und Jasager, sondern interessant und unlinienförmig. Capus bleibt sich als Autor im Roman wie im richtigen Leben treu.

Alex Capus auf Schloss Wartenfels 07.07.2013
Alex Capus auf Schloss Wartenfels 07.07.2013

Der Vergleich mit Günter Grass, Literaturnobelpreisträger (1999) und als Wahlkampfunterstützer politisch aktives SPD-Mitglied seit 1982 in Deutschland liegt nahe. Auch Capus ist politisch aktiv – er war Präsident der Sozialdemokratischen Partei Oltens (2009 – 2012). Gleichwohl ist Capus nicht mit der Weltkriegsvergangenheit eines Günter Grass belastet und sieht einer außergewöhnlichen Karriere entgegen.

Autoren gibt es viele. Menschen, die neben dem Traum – und Brotberuf für ihre Meinung zugunsten ihrer Mitmenschen einstehen wenige.

© 2013 Hans-Jürgen John

Hans ist Hans John (@rafaelofirst) auf Twitter und Hans.John.16 auf Facebook. Hans bloggt auf www.johntext.de und www.tage-bau.de .

Rolf Hermann: Der Hosenträgerpianist

Rolf Hermann las auf den Solothurnern Literaturtagen heute vormittag aus seinem Lyrikwerk.

Rolf Hermann (links) und Pascal Frey

Die Solothurner Literaturtage 2013 gehen heute zu Ende. Grund genug für Johntext dieses wichtige Schweizer Literaturereignis exemplarisch vorzustellen.

Die Literaturtage standen dieses Jahr unter dem Motto «Anfänge». Darunter kann man ausdrücklich Roman oder Lyrikanfänge verstehen. Diesem Erstkontakt zwischen Leser und Autor nach dem Aufschlagen des Buches kommt eine große Bedeutung zu. Es soll Autoren geben, die einen Roman schreiben und dann erst den Romananfang formulieren. Berühmte Romananfänge sind auch ohne ihren Kontext für sich alleine schon lesenswert.

Wie hält es Rolf Hermann damit? Heute Vormittag vorgestellt und bei der Lesung von Pascal Frey im wunderschönen Solothurner Palais Besenval am Ufer der Aare moderiert und begleitet gewährte Hermann Einblicke in seinen Schreibprozess.

Rolf Hermann (links) im Palais Besenval, Solothurn

Rolf Hermann schreibt Lyrik. Lyrik? Das waren für mich bislang kodierte Texte, durch die der weltfremde und weltscheue Dichter unverständlich formuliert, um so die Leser dazu zu zwingen, sich mit seinem Werk und letztlich mit ihm selbst zu beschäftigen. Ein Hauruckakt, also. Der Dichter versucht, seine Scheu vor der Welt zu überwinden, indem er die Leser dazu zwingt, bei ihm nach dem Sinn seines Werkes anzufragen. Diese einfache Sicht auf den Dichter im Elfenbeinturm musste ich heute korrigieren.

Rolf Hermann schöpft aus Sinneseindrücken, aufgeschnappten Gesprächsteilen, Versatzstücken aus den Feuilletons der Zeitungen und Reiseberichten. Diese werden per PC zu einem Wahrnehmungsprotokoll, einer Sammlung zusammengefügt. Danach wird alles abgespeichert und vergessen und abgelagert. Später kommt dann die Analyse, das Zusammenstellen zu Lyrik unter Beachtung einschlägiger formaler Kriterien wie Reim, Versmaß …

Am Beispiel vom «Der Hosenträgerpianist» wurden die Zuhörer in die Lesung mit einbezogen. Sie konnten ihre Assoziationen zum Gedicht – per Diaprojektor visualisiert – vortragen. Zeilen wie «Wer sich in die Betrachtung einer Büroklammer vertieft, entdeckt darin sein Selbstporträt:» regten zur Reflexion an.

Pascal Frey begleitete die interessante Lesung mit Infos zu Leben und Wirken Hermanns, sowie dessen Stellenwert in der Kritik.

Rolf Hermann wurde 1973 im Oberwallis geboren. Zwei Jahre verbrachte er in Iowa, USA, seine Ehefrau stammt von dort. Iowa hat nach Hermann eine Fläche dreimal so groß wie die Schweiz und dabei weniger als halb so viel Einwohner. Die Landschaft sei von Monokulturen geprägt. Unzählige Kühe und circa 30 Millionen Schweine gäbe es dort.

Pascal Frey nahm das zum Anlass nachzuhaken, ob lyrische Produktion ortsabhängig sei? Hermann verneinte. Gedichte, die in Iowa entstanden seien, müssten nicht dringend über Iowa handeln. Impressionen aus der jeweiligen Umgebung könnten aber durchaus Lyrik beeinflussen, je nachdem, ob es sich um Kopfreisen oder tatsächliche Reisen handele.

Pascal Frey bemerkte, Hermanns Gedichte würden mit Gemälden von Salvador Dali verglichen. Rolf Hermann sieht seine Lyrik durchaus auch surrealistisch aber nicht nur. Für ihn ist Literatur etwas «was nicht auf Anhieb verständlich sein darf.» Texte dürfen für ihn Fragen auslösen und sollen nicht auf Anhieb verständlich sein.

© 2013 Fotos und Text: Hans-Jürgen John

Hans-Jürgen John ist auf LinkedIn, Facebook und Twitter. Hans bloggt auf www.johntext.de und Johntext Switzerland .